Dass es angesichts zuneige gehender Ressourcen und immer extremeren Wetterphänomenen Zeit ist zu handeln, war und ist vielen Menschen klar – aber wie? Unter der Schirmherrschaft des Niedersächsischen Umweltministers Olaf Lies zeigte der vom Cradle to Cradle (C2C) e.V. organisierte Congress, dass Umweltschutz und Wirtschaft durch eine echte Kreislaufwirtschaft nach C2C vereint werden können! Auf dem 5. C2C Congress, der vom 14.-15. September an der Leuphana Universität in Lüneburg stattfand, diskutierten internationale Akteur*innen aus den Bereichen Bau & Architektur, Kunststoffe, ökologische Landwirtschaft sowie aus dem diesjährigen Special Track Fashion und Textil in abwechslungsreichen Formaten über C2C als Innovationsmotor und zeigten, wie es anders geht. Wie schon in den Jahren zuvor unterstützten über 100 ehrenamtliche Helfer*innen die Organisation und Durchführung des Congresses und sorgten dafür, dass die 800 Teilnehmer*innen sich von best practice Beispielen inspirieren lassen, und positiv und voller Tatendrang aus dem Wochenende gehen konnten.
Die öffentliche Auftaktveranstaltung mit Minister Olaf Lies, Dr. Monika Griefahn und Prof. Ernst Ulrich von Weizsäcker eröffnete am Freitagabend (14.09.) den Congress. Sie bot einen abwechslungsreichen Einblick in die (wirtschafts-)politischen Herausforderungen vor denen wir heute stehen und welche Rolle C2C dabei als Innovationsmotor einnehmen kann (eine große, so viel steht fest). Bereits Prof. Dr. Henrik von Wehrden (Dekan der Fakultät Nachhaltigkeit, Leuphana Universität Lüneburg) hob die Bedeutung von C2C in seinem Grußwort hervor: „Gesellschaftliche Entwicklung braucht eine Geschichte, und Cradle to Cradle ist diese Geschichte“. Das betonte auch der Schirmherr, der niedersächsische Umweltminister Olaf Lies, der C2C als Chance begreift, Wege neu zu denken und gehen und zukunftsfähig zu wirtschaften. Für ihn ist das C2C Designkonzept sogar die einzige Möglichkeit, „wenn wir vernünftig mit den Ressourcen […] umgehen wollen.“ Er berichtete von seinem Plan das Partnerschaftszentrum Wattenmeer in Wilhelmshaven, als C2C-inspiriertes Gebäude zu bauen und zur „C2C-Außenstelle“ zu machen, die zeigt, „wie es funktioniert“.Die Vorsitzende des C2C e.V. Dr. Monika Griefahn positionierte sich klar gegen die Ankündigung des BDI, es gebe keine Grenzen des Wachstums mehr und man wolle den Bergbau im Weltall erschließen. Vielmehr müssen wir anders wirtschaften, nach C2C, das mehr als ein reines Wirtschaftsmodell ist. Es bietet einen ganzheitlichen gesellschaftlichen Ansatz der auf drei Prinzipien fußt, die auf einen Bierdeckel passen – und noch besser, sogar umsetzbar sind! Dabei ist aber die positive Definition der Materialien essentiell: Wir wollen nicht weniger schlecht sein, sondern gut, durch eine aktive Zutatenliste anstelle von Verboten. Es ist also ein fundamentales Umdenken nach C2C notwendig, was auch Prof. Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker bestätigte und Cradle to Cradle als sehr mutigen Ansatz lobte, um Problemen Rechnung zu tragen.„Die Textilindustrie könnte die sauberste der Welt sein!“
Der zweite Congresstag startete mit einer Einführung unseres Geschäftsführenden Vorstands Nora Sophie Griefahn und Tim Janßen, die nicht nur zeigte, dass es Zeit ist zu handeln, sondern auch wie – mit positivem Ansatz! Das überzeugt immer mehr Menschen, wie die wachsende C2C Bewegung zeigt, aber auch die Wirtschaft, gerade im Bereich des Special Tracks Fashion & Textil. Immer mehr Unternehmen stellen ihre Produktion auf Cradle to Cradle um, bzw. produzieren erste Kollektionen nach C2C. So auch C&A. Warum sich der Konzern dafür entschied und welche Herausforderungen gemeistert werden müssen, berichtete Donald Brenninkmeijer, der Chief Innovation Officer von C&A. Deutlich wurde, wie wichtig Kooperation und Wissensaustausch auf dem Weg zur C2C Zertifizierung in der Textilindustrie sind. Dr. Janez Potočnik (Co-Vorsitzender UNEP IRP & ehem. EU-Kommissar) betonte, dass wir das Wirtschaftssystem umkrempeln müssen. Auch für ihn stellt Cradle to Cradle die beste, umfassendste Form der Kreislaufwirtschaft dar, denn die zugrunde liegenden Prinzipien spiegeln ein neues Denken und Wirtschaften wider, dass nötig ist, um soziale Gerechtigkeit zu erreichen und die kulturelle Vielfalt zu achten.Im anschließenden Panel „Towards a C2C Economy” diskutierten Donald Brenninkmeijer, Dr. Janez Potočnik und Nora Sophie Griefahn über die Hürden hin zu einer C2C Wirtschaft. „Wenn man als Unternehmen eine Perspektive haben will, muss man umdenken,“ Nora Sophie Griefahn. Die Technologien für den Wandel sind schon lange vorhanden, aber auch Unternehmen müssen für gesellschaftliche Risiken in die Verantwortung genommen werden. So müssten beispielsweise die gesellschaftlichen Auswirkungen durch Umweltschäden mit in den Kaufpreis gerechnet werden, denn auch bei Konsument*innen fehlt es noch immer oft am nötigen Bewusstsein für C2C. Deshalb ist es wichtig, neue Wege zu gehen und Lernprozesse, Wissen und Erfahrungen zu teilen. Fazit: Für einen flächendeckenden Wandel müssen Politik, Wirtschaft und Konsument*innen an einem Strang ziehen. Nach einer spontanen Solidaritätsbekundung mit den Demonstrant*innen im Hambacher Forst (#hambibleibt) ging es in die Mittagspause, die zum Netzwerken mit Gleichgesinnten zu verschiedenen Themen genutzt wurde.Zusammen auf neue Ideen und Denkansätze kommen
In kleinen Gruppen inspirierenden C2C Pionier*innen lauschen und zu ausgewählten Themen mehr erfahren und Fragen stellen? Das machten die interaktiven Foren am Nachmittag möglich, die sich um Kunststoffe & Verpackungen, Zertifizierung, Werschöpfungsketten, Bau & Architektur, Textilien, Landwirtschaft und Design drehten. So sprach Rob Kragt (Desso | Tarkett) darüber, wie die Materialien in Teppichböden aussehen müssen, damit sie in unseren Innenräumen einen positiven Fußabdruck hinterlassen können. Desso produziert aktuell Teppichfliesen für den technischen Kreislauf und testete die Herstellung für den biologischen Kreislauf (z. B. mit Papier und Jute) – denn C2C ist ein endloser Innovationsprozess, bei dem man immer weiter machen muss. Nur so konnte man auch das Problem vom auf Teppichrückseiten üblichen, aber schädlichen Bitumen lösen, durch die Entwicklung von EcoBase backing aus Polyefinen.Prof. Friederike von Wedel-Parlow sprach als Designerin und Gründerin des Beneficial Design Institutes über umfassendes Design im Textil & Fashion-Bereich. Problematisch ist vor allem die Wiederverwendung von Materialien wie LKW-Planen (die PVC enthalten), die nie für den Hautkontakt gedacht waren, oder sonstiger Abrieb der nicht für die Biosphäre gemacht ist. Wie es besser geht, zeigt sie mit ihrer für manufactum produzierten C2C-Linie, die biologisch abbaubares Polyester enthält. Sie hob hervor, dass bei der Herstellung von C2C-Produkten nicht nur das Produkt im Auge behalten werden darf, sondern vielmehr das gesamte Businessmodell inklusive Rücknahmesystem.Im interaktiven Forum von Henning Siedentopp (melawear) & Ina Budde (circular.fashion) ging es um Startups in der Textilbranche. Gerade dort brauchen wir ein anderes, ganzheitliches System, so Budde. Sie stellte die eigens entwickelte Designsoftware vor, die die nötigen Lücken zwischen Designer*innen, Konsument*innen und Sortieranlagen zu schließen versucht. Denn für die qualitativ hochwertige Wiederverwendung von Textilien fehlt es oftmals an Transparenz, Austausch und Kooperation zwischen diesen drei Stellen. Dass es aber eben doch funktionieren kann, zeigt Siedentopp mit melawear. Er begreift sein Startup als Innovationsmotor, das nach der Umsetzung der höchsten Sozial- und Umweltstandards strebt und stand Rede und Antwort zu Schwierigkeiten in der Produktion von Kleidung, die nach C2C Prinzipien hergestellt wird.Zum Thema Zertifizierung diskutierten gleich drei Expert*innen, Dr. Rossitza Krueger (Fairtrade International), Dr. Susan Klosterhaus (Vize-Präsidentin für Wissenschaft & Zertifizierung, bei C2C PII), Haixang Qian (Projektmanagerin EPEA) unter der Moderation von Katja Hansen (C2C Expertin, Beirat C2C e.V.). Sie stellten Zertifizierungsprozesse verschiedener C2C-Kollektionen vor und machten deutlich, dass wir seit Jahren schon Textilien nach C2C Standards produzieren können und es auch tun, weltweit fair & gesund. Es müssen endlich mehr Unternehmen mitmachen.Für Alle, die noch neu im Thema C2C waren, gab es die Möglichkeit eine Einführung in die C2C Denkschule und das Designkonzept, sowie die Arbeit der Organisation zu bekommen. Unsere ehrenamtlichen Aktiven Anne Lamp & Jessica Weber ließen die Teilnehmer*innen schließlich auch ihr eigenes C2C-Produkt entwerfen.Timothy Glaz und Immo Sander von Werner & Mertz (bekannteste Marke „Frosch“) demonstrierten, dass auch im Bereich Kunststoffe und Verpackungen C2C-Innovationen erfolgreich sind. Da „sauberer Inhalt und schmutzige Verpackungen […] für [Werner & Mertz] kein ganzheitliches Konzept“ sind, füllen sie mittlerweile ihre Reinigungsmittel zu 100 % in Kunststoff-Rezyklat (das aus dem gelben Sack stammt) ab und verfolgen die sinnvolle Kreislaufführung ihrer Produkte. Offen berichteten sie über Hürden und Kosten bei der Entwicklung solcher innovativer Ansätze.Journalist und Buchautor Dr. Franz Alt machte anhand vieler globaler Beispiele deutlich: Weiter machen wie bisher funktioniert nicht! Wir brauchen den Wandel und können mit einem positiven Fußabdruck die Welt verändern und die Ketten konventioneller Denkmuster sprengen: „Es geht nicht um Verzicht, es geht um ein besseres Leben.“ Insbesondere für die Versorgung mit regenerativer Energie steht uns schon jetzt die Sonne zur Verfügung, die bekanntlich keine Rechnung schickt.Inka Sachse (Agronomin & Projektmanagerin für Lieferantenentwicklung bei Soil & More Impacts) brachte das Thema Boden auf den Congress und erarbeitete gemeinsam mit den Teilnehmer*innen, warum ein nährstoffhaltiger Boden und regenerative Landwirtschaft essentiell sind. In Gruppendiskussionen ging es um Konsument*innen, Private Akteure und Policy Makers, die alle an einem Strang ziehen müssen: Wie erreicht man sie am besten und erreicht ein Umdenken?Um Wertschöpfungsketten ging es bei Albin Kälin, dem Gründer & CEO von EPEA Switzerland. Er berichtete von diversen Kooperationen die er innerhalb der letzten Jahrzehnte aufgebaut hat, die mittlerweile zu einem C2C-Netzwerk geworden sind, das eine C2C-Supplychain überhaupt erst möglich macht. Als Beispiele nannte er die Zusammenarbeit mit Werner & Mertz (C2C-bedruckte Etiketten) oder Bayonix (biologisch abbaubarer Kunststoff für Trinkflaschen).Chris Grantham (Circular Economy Portfolio Director IDEO) sprach in seinem Forum „Circular Economy & Collaborative Design“ über design thinking und wie er damit versucht, einen Wirtschaftswandel zu kreieren. Denn „if we designed it, we can redesign it!“.Best Practice Impulse – Was tut sich in der C2C Welt?
Viele anschauliche Beispiele aus dem Bereich Bau & Architektur stellten Ursula Feld (kadawittfeldarchitektur), Silke Betten (Delta Development Group) und Douglas Mulhall (C2C Experte) vor. Sie zeigten anhand zahlreicher umgesetzter Projekte, wie wir Häuser wie Bäume und Städte wie Wälder gestalten können. So wurden beispielsweise die Zeche Zollverein in Essen, ein Kindergarten in Ronneby (Schweden) und diverse Objekte im niederländischen Park 20/20 nach C2C-Prinzipien um- bzw. gebaut. Das macht Mut: Es ist also auch und gerade in der Immobilien- und Baubranche, den größten Müllproduzenten, möglich, mithilfe von C2C den Strukturwandel voranzutreiben und es anders zu machen. Wir können eine positive Zukunft für Menschen gestalten!Welche Perspektive bietet C2C auf die Frage, wie eine textile Wertschöpfungskette gestaltet werden muss, damit jede*r von der Produktion gesunder und fairer Kleidung profitiert? Das diskutierten Sanne van den Dungen (Projektmanagerin EPEA Niederlande), Philomena John (Direktorin Cotton Blossom India) und Henning Siedentopp (melawear) in „Challenges & Solutions in Textile Supply Chains“. Die Frage „Wo kommt meine Kleidung her?“ ist immer schwieriger zu beantworten. Viele Herausforderungen sind bereits bekannt und es gibt zahlreiche Stakeholder, die bereits versuchen, diese zu lösen. Als Fazit bleibt: „You have to be open!“, um die Herausforderungen in Lieferketten zu lösen.Gewohnt unterhaltsam verdeutlichte Prof. Dr. Michael Braungart in seinem Impuls zu Plastik wie wenig die herkömmliche Debatte um Verzicht und Reduktion dabei hilft, die Probleme unserer Zeit zu lösen. „Plastik dämonisieren bringt uns nicht weiter, wir brauchen neue Geschäftsmodelle.“ So müsse PET als Dienstleistung betrachtet werden, dann biologisch abbaubar gemacht um in Textilien weiter verwendet werden zu können Reduzieren hilft genauso wenig, wie das Falsche perfekt zu machen oder die Natur zu romantisieren – schließlich wurde das Schaf nicht für den Teppich erschaffen!Noch mehr ermutigende Beispiele aus der Textilindustrie demonstrierte Volker Steidel. Mit seinem Unternehmen Lauffenmühle hat er in den vergangenen Jahren zahlreiche C2C-Projekte umgesetzt und angeleitet. Insbesondere das eigens für den biologischen Kreislauf entwickelte infinito-Polymer wird bereits in Vorhängen, Berufsbekleidung, Active Wear, Matratzen, Wäsche und Strümpfen und sogar Trinkflaschen verwendet. Es ist erdölbasiert, erfüllt alle technischen Eigenschaften von z. B. PET, PE, PP oder PES – und ist biologisch abbaubar!Dieser positive Ansatz, der Cradle to Cradle auszeichnet und der die ganzen zwei Tage für alle Teilnehmer*innen in Lüneburg spürbar war, schwappt auch in die Kultur-, genauer gesagt in die Musikindustrie über. Unser neues Beiratsmitglied Bela B (Musiker) berichtet im Abschlusstalk über seine Motivation, sich für C2C zu engagieren: „Was mich sehr überzeugt hat ist, dass der C2C-Gedanke nicht mit einem großen Hammer daherkommt und nicht mit einem großen Zeigefinger.“ C2C vermittelt ein positives Gefühl, das Bela B auch seine Fans vermitteln möchte. So plant er Merchandise-Artikel, die nach C2C-Kriterien produziert werden und gleichzeitig Aufklärungsarbeit leisten. Mit so vielen guten Nachrichten ging es zum abschließenden Dinner in die Mensa. Bei leckeren Speisen wurde sich weiter ausgetauscht und der Congress verarbeitet, bis es irgendwann nur noch hieß: Ab auf die Tanzfläche und bis tief in den Morgen feiern, denn auch das gehört dazu und zeichnet die C2C-Community aus!©C2C e.V. | Max Arens & Yunus Hutterer